Dies ist ein Gastbeitrag von Sandra Walz – Veröffentlichung des Texts mit freundlicher Genehmigung
Persepolis (2007)
(Marjane Satrapi/Vincent Paronnaud, 2007)
Der Flughafen Orly in Paris. Im Sanitärbereich machen sich zwei Frauen für ihre Reise fertig: Während die eine ihr Makeup auffrischt versteckt die jüngere ihre Haare unter einem Kopftuch, ihr Blick wirkt abwesend, ja traurig. Ziel ihrer Reise ist Teheran, ihre verlassene Heimat, in welche die Protagonistin Marjane Satrapi den Zuschauer in den folgenden eineinhalb Stunden entführen wird.
Der Zeichentrickfilm Persepolis von Marjane Satrapi in Kooperation mit dem Drehbuchautor und Regisseur Vincent Paronnaud erzählt die Kindheit und Jugend der Comiczeichnerin in eindrucksvollen Bildern. In der Verfilmung ihrer Autobiographie gelingt es der Autorin, Bewegung in die nüchternen schwarz/weiß-Panels des in den Jahren 2000 bis 2003 in Frankreich veröffentlichten Graphic Novels zu bringen – die deutsche Übersetzung erschien erstmals 2004 bis 2006. Wo es der in vier Bände unterteilte Comic bereits schafft, mit der verspielten Präsentation ernster Themen derart viele Emotionen im Leser zu wecken, steht ihm seine Verfilmung in Nichts nach.
Teheran, Iran, 1978. Die achtjährige Marjane ist ein quirliges Mädchen, das aufgrund ihres rebellischen Charakters zu Zeiten der Islamischen Revolution häufig aneckt. Nach Ausbruch des Krieges schicken ihre liberalen Eltern sie zu ihrem eigenen Schutz nach Wien, wo sie die turbulenten Jahre der Pubertät fern von ihrer Familie erlebt. Obwohl der politische Konflikt im Nahen Osten der 80er und 90er Jahre die Handlung bestimmt, steht der lange Weg eines kleinen Mädchens zur erwachsenen Frau im Mittelpunkt. Dabei wird der ernste Kontext durch den kindlich-naiven Blickwinkel sowie die persönlichen Herausforderungen des Erwachsenwerdens aufgelockert. Obwohl der Trickfilm eine ungewöhnliche Wahl für diese Art von Thematiken ist, erlauben die Möglichkeiten des Mediums eine spielerisch-leichte Inszenierung, die auch regelmäßig für Lacher sorgt.
Die im Original von der französischen Starschauspielerin Catherine Deneuve (Marjanes Mutter) und ihrer Tochter Chiara Mastroianni (Marjane) angeführte Synchronsprechercrew verleiht den Protagonisten einen authentischen, ausdrucksstarken Charakter. Der Zuschauer kann gar nicht anders, als sich von dem lebensfrohen Mädchen – und im späteren Verlauf der intelligenten jungen Frau – mitreißen zu lassen. Neben der Coming-of-Age-Geschichte bietet der Film zudem einen anschaulichen Einblick in den Wandel der Gesellschaft und die politischen Geschehnisse sowie den Krieg im Iran in den letzten Jahrzehnten des vergangenen Jahrhunderts.
Alles in Allem ist Persepolis die emotionale Abrechnung einer jungen Frau mit ihrer Heimat. Der Film überzeugt durch außergewöhnliche dramaturgische Elemente und eine musikalische Untermalung, die den Zuschauer bereits nach wenigen Minuten in ihren Bann zieht. Wer außerdem ein Herz für Graphic Novels hat – oder gerne einmal ein neues Literaturgenre beschnuppern möchte –, dem kann ich die herausragende vierbändige Buchvorlage nur ans Herz legen.