nsa – Nationales Sicherheits-Amt (Andreas Eschbach)

Romane
8.3

Sehr gut

Heute darf ich wieder einen Eschbach rezensieren – diesmal den Neusten.
Stellt euch vor, 1939 gibt es schon Computer, Handys, soziale Netzwerke und vor allem die dazugehörigen „Abhörbehörden“. Dieses Gedankenspiel ist es, was Eschbach in seinem neusten Roman höchst ausführlich erzählt.

Willkommen beim nsa – dem Nationalen Sicherheits-Amt

Ich hatte das Glück, auf meine Anfrage bei Bastei Lübbe, ein Hardcover-Exemplar des Buches zu erhalten. Besten Dank an den Verlag für das freundliche zur Verfügung stellen des Buches.

Aber nun erstmal zum Klappentext:

Weimar 1942: Die Programmiererin Helene arbeitet im Nationalen Sicherheits-Amt und entwickelt dort Programme, mit deren Hilfe alle Bürger des Reichs überwacht werdenErst als die Liebe ihres Lebens Fahnenflucht begeht und untertauchen muss, regen sich Zweifel in ihr. Mit ihren Versuchen, ihm zu helfen, gerät sie nicht nur in Konflikt mit dem Regime, sondern wird auch in die Machtspiele ihres Vorgesetzten Lettke verwickelt, der die perfekte Überwachungstechnik des Staates für ganz eigene Zwecke benutzt und dabei zunehmend jede Grenze überschreitet …
Was wäre, wenn es im Dritten Reich schon Computer gegeben hätte, das Internet, E-Mails, Mobiltelefone und soziale Medien – und deren totale Überwachung?
Das eingangs und im Klappentext erwähnte Gedankenspiel bringt uns zu den beiden Hauptfiguren: Helene Bodenkamp und Eugen Lettke. Helene ist das Mauerblümchen: behütet und in einer gutbetuchten deutschen Familie aufgewachsen, ist sie der Charakter der einem schnell ans Herz wächst. Denn: man wünscht sich nur das Beste für Sie.
Eugen Lettke auf der anderen Seite ist ein Arschloch – sorry, kann man nicht anders ausdrücken. Einer der nur an sich selbst denkt und dabei quasi über Leichen geht. Er stammt aus einer eher ärmlichen Familie, seine Kindheit war nicht sonderlich einfach. Das rechtfertigt seinen Charakter aber nicht.
Wir lernen eingangs beide Charaktere sehr gründlich kennen – das ist typisch Eschbach-Like: wir erfahren im ersten Kapitel einige Dinge über das hier und jetzt, um uns danach für einen Viertel des Buches erstmal den Werdegang beider Hauptcharaktere kennenzulernen. Das ist aber wie immer sehr gut gelungen und man bekommt einen durchaus guten Einblick in die Figuren. Ohne spüren Übergang landet man dann wieder in der Gegenwart und damit im „nsa“ – der Überwachungsbehörde des deutschen Reiches in Weimar.

Topaktueller Bezug in die Vergangenheit versetzt

Hier fliesst eine ganze Menge topaktueller Themen ein: der Bezug zur amerikanischen NSA bedarf hier wohl definitiv keiner weiteren Erklärung. Sehr schön umgesetzt ist auch der Job von Helene als „Programmstrickerin“, ein Job den im deutschen Reich nur die Frauen inne hatten. Weil sie „von den Rezepten zum Kochen die logischen Abläufe einfach gewohnt sind“. Ich musste schon etwas grinsen und mich fragen, warum heute nicht mehr Frauen Programmieren – und das meine ich nicht wegen der Küche!
Eschbach gelingt es dann auch, das gefühlte theoretisch komplexe Programmieren, auf eine einfache Ebene zu bringen. Die Codebeispiele von typischen Abfragen hat er aus dem (My)SQL-Syntax sauber übersetzt: Beispielswese „SELEKTIERE AUS“ für SELECT FROM.
Dass es Programmierstrickerinnen im zweiten Weltkrieg schon gab liegt daran, dass das Gedankenspiel die Technik die dahintersteckt komplett mit einschliesst. In „nsa“ gibt es nicht nur schon Computer, sondern es gibt genauso das Internet, Mobiltelefone, Soziale Netzwerke und Cloud-Speicher. Ganz schön finde ich die Idee, dass den Dingen nicht die heutigen Namen gegeben wurden, sondern passend benannt sind. Der Computer ist der „Komputer“, das Internet nennt sich „Weltnetz“, Cloudspeichert sind sogenannte „Datensilos“. Weiterhin gibt es eine Forum, nämlich das „Deutsche Forum“, das man mit Facebook und ähnlichen Plattformen vergleichen könnte. Auch eine Tagebuch-App gibt es. Und nicht zu vergessen E-Mails als „Elektrobrief“.
Wie steht es um Lesefluss und Spannung? „nsa“ ist ein Eschbach wie immer: die Story geht langsam aber stetig vorwärts. In der Regel passiert das recht unaufgeregt. Aber doch immer so, dass man unbedingt wissen will, wie es weitergeht. Andreas Eschbach hat einfach eine eigene Art, eine gewisse Spannung aufzubauen. Ab und zu nutzt er aber durchaus Stilmittel, die sich aus Thrillern finden lassen. Es gibt einige Stellen, die einen klassischen und wirklich fiesen Cliffhanger haben. Da die Geschichte aus zwei Perspektiven erzählt wird, ist das auch der Grund, warum es funktioniert: nach dem Cliffhanger wechseln wir erstmal die Perspektive, bevor das Problem aufgelöst wird.

Das Eschbach-Ende

Jetzt müssen wir auch noch unbedingt über das Ende sprechen. Ich sage immer wieder, dass ich die Enden von Andreas Eschbachs Bücher sehr gerne mag. Einfach weil sie oft vieles offen lassen oder einfach nicht das schnulzige Happy End haben, das einige Leser sich von Büchern manchmal wünschen. Das Ende von „nsa“ wiederum ist an und für sich überhaupt nicht offen. Alle Storylines werden sauber abgeschlossen. Es bleibt am Ende nicht mehr viel zu sagen. Okay, gewisse Dinge sind durchaus weiterhin offen – aber sie sind einfach nicht mehr relevant. Und das ist das wirklich Böse an diesem Ende. Es ist anders als man es erwartet – vor allem als man es bei einem Eschbach erwartet. Aber es ist keinesfalls schlecht. Es ist einfach das, was passiert, wenn man die Geschichte konsequent durchdenkt und auch so zu Ende bringt.
Was wirklich sehr interessant zu sehen ist, ist die Tatsache, dass das Setting einen mehr zum Nachdenken anregt. Heute sind soziale Netzwerke normal. Man ist sich auch der Überwachung (un)bewusst bewusst. Und doch ist es es in Ordnung. Wir lassen es einfach zu. Indem das Setting in einer ganz anderen Zeit und vor allem politisch zu einem noch viel brisanteren Zeitpunkt spielt, bemerkt man überhaupt erst, was das ganze Thema „Überwachung“ eigentlich anrichten kann.
Interessant ist zudem, dass das Szenario, welches Eschbach auf den letzten 150 Seiten entwickelt, gar nicht so weit von der Realität entfernt. Die Möglichkeiten bestehen nämlich – vielleicht erst in ein paar Jahren, aber sehr vieles davon ist nicht allzu weit von uns entfernt.
Vielleicht – vielleicht gehört „nsa“ sogar verfilmt – vielleicht in der Serie „Black Mirror“. Denn dahin würde dieses Buch von der Art und der Thematik sehr gut passen.

Fazit

ich habe versucht, so genau wie möglich auf das Buch einzugehen. Aber das ist schwierig, ohne allzu viel zu verraten. Also entschuldigt bitte, wenn ich vielleicht etwas um den Brei herum geschrieben habe. Dennoch kann ich hier auf jeden Fall ein Fazit geben: „nsa – Nationales Sicherheits-Amt“ von Andreas Eschbach ist ein Roman, der gelesen werden will. Brisante Überwachungstechnologie und modernste Technik treffen auf den zweiten Weltkrieg. Wäre alles anders gelaufen, wenn die Deutschen all diese Möglichkeiten gehabt hätten? Wer das wissen möchte, sollt das Buch lesen. Und wer keine Angst vor Enden haben, die von den üblichen Sorten von Enden abweichen: dem sei das Buch auf jeden Fall ans Herz gelegt.
Ein wirklich tolles neues Buch von Andreas Eschbach!
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nsa – Nationales Sicherheits-Amt (Andreas Eschbach)
Weimar 1942: Die Programmiererin Helene arbeitet im Nationalen Sicherheits-Amt und entwickelt dort Programme, mit deren Hilfe alle Bürger des Reichs überwacht werdenErst als die Liebe ihres Lebens Fahnenflucht begeht und untertauchen muss, regen sich Zweifel in ihr. Mit ihren Versuchen, ihm zu helfen, gerät sie nicht nur in Konflikt mit dem Regime, sondern wird auch in die Machtspiele ihres Vorgesetzten Lettke verwickelt, der die perfekte Überwachungstechnik des Staates für ganz eigene Zwecke benutzt und dabei zunehmend jede Grenze überschreitet. Was wäre, wenn es im Dritten Reich schon Computer gegeben hätte, das Internet, E-Mails, Mobiltelefone und soziale Medien - und deren totale Überwachung?
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Erschienen:
nsa – Nationales Sicherheits-Amt (Andreas Eschbach)
Chris

Chris ist 34, arbeitet in der IT und liest gerne spannende Thriller oder Science-(Fiction) Literatur. Zudem liebt er das Tolkien-Universum.

Positiv

  • Geniales Gedankenspiel
  • Storyentwicklung à la Eschbach
  • Spezielle Charaktere

Negativ

  • Das Ende ist... anders

Zusammenfassung

Ein klassischer Eschbach und ein brisantes Thema mit einem kongenialen Gedankenspiel. In der klassischen Eschbach-Erzählweise werden wir tiefer und tiefer in die Geschichte gezogen und vom Ende überrascht und etwas ratlos zurückgelassen. Verdattert ist sogar besser, denn: das hätte man eigentlich nicht erwartet.
8.3

Sehr gut

Storyline - 9
Spannung - 7
Schreibstil - 9

2 Kommentare

  1. Hey Chris,

    Eine tolle Rezension zum Buch und ich kann alles gut nachvollziehen. Zu viel verraten will man ja auch nicht. Am Ende dieses Buch war ich erstmal verstört. Definitiv ein Buch, dass mir länger im Gedächtnis bleiben wird. Und demnächst werde ich dann weitere Eschbach-Romane ausprobieren.

    LG, Moni

    Antworten
    • Ja, das Ende ist schon ziemlich verstörend, in der Tat. Und ich denke, andere Eschbach-Enden sind das nicht (hatten ja diskutiert an der FBM wegen dem Ende ;)). Aktuell bin ich grad an Schätzing, Jonasson und Heitz dran. Danach kommt der nächste Eschbach 🙂 LG, Chris

      Antworten

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