Puh, für dieses Buch fällt mir ein Review wirklich schwer. Ich habe „Die Tyrannei des Schmetterlings“ bereits vor über eine Woche beendet und weiss immer noch nicht genau, was ich davon halte. Aber von vorne: von Randomhouse habe ich die mp3-Hörbuchfassung vom neusten Schätzing „Die Tyrannei des Schmetterlings“ erhalten. Die 2 mp3-CDs enthalten über 20 Stunden Lesung in ungekürzter Fassung des Buches. Perfekt für meine zum Teil längeren Autofahrten 🙂
Bevor wir uns in die Handlung stürzen, möchte ich noch ein paar Worte zum Sprecher der Hörbuch-Fassung, Sascha Rotermund, fallen lassen: Sascha Rotermund liest spannend und interessant – seine Stimme ist angenehm anzuhören. Das Einzige was mich wirklich gestört hat (vor allem zu Beginn) ist die krasse Überbetonung, in der er das Buch liest. Selbst bei gefühlt langsamen und langweiligen Passagen liest Rotermund, als ob die Erde gleich untergeht oder ein anderes Drama stattfindet. Mit der Zeit hat sich das etwas gegeben und man hat es nicht mehr so wahrgenommen. Aber man könnte das Buch auch weniger dramatisch lesen ehrlich gesagt 😀
Jetzt aber zur Handlung:
Worum geht es: Sheriff Luther Opuku (der zwar eigentlich noch Undersheriff ist) und sich in der Regel mit verschwundenen Katzen oder eingeschlafenen Personen, deren Enkel den Notruf wählen, beschäftigt, stolpert im beschaulichen Sierra Valley über einen handfesten Fall: eine Frau wird tot in einem Baum über einem Abgrund gefunden. War es Mord? Oder doch nur ein Unfall? Luther und seine Deputy Detecvtive Ruth beginnen mit den Ermittlungen. Dabei stossen sie bald auf die Tatsache, dass die Tote bei einem High-Tech Unternehmen angestellt war, welches im Sierra Valley eine „Farm“ betreibt. Woran dort geforscht wird ist nicht für die Allgemeinheit bestimmt.
Das Buch beginnt erstmal wie ein klassischer Krimi. Stellenweise hat es mich sogar an „Die Grausamen“ von John Katzenbach erinnert: zwei Polizisten, beide auf ihre Art verschroben, ermitteln an einem Mord. Was relativ generisch klingt und auch so beginnt, steigert sich bei „Die Tyrannei des Schmetterlings“ ins Extreme. Und das ist leider nur sehr bedingt gut.
ACHTUNG: ab hier Spoileralarm
Schnell wendet sich das Buch vom Krimi zum High-Tech Thriller. Denn auf einmal geht es um künstliche Intelligenz. Eigentlich ein extrem spannendes Thema und ich stolpere immer wieder über Bücher, die dieses aufnehmen. Waren in letzter Zeit einige Autoren 😉 Im 2. Drittel des Buches kommt es dann zum eigentlichen Plottwist und wir sprechen auf einmal über Paralleluniversen. Als mir klar wird, was passiert ist denke ich nur: huch? WTF? (Ja, dem Leser wird es vor Luther Opoku klar, was hier gerade passiert). Schätzung fängt also an, mit gleich 2 grossen Themen zu spielen… KI und dazu auch gleich noch Paralleluniversen. Die Mehrzahl ist übrigens sehr wichtig an dieser Stelle.
Nachdem ich mich zuerst etwas sehr seltsam anmutenden Plottwist erholen musste, konnte ich mich je länger, je mehr damit identifizieren. Das ging somit bis kurz nach der Mitte des Buches gut. Doch dann – dann nahm das Ganze abnorme Ausmasse an. Ich will hier nicht allzu viel vorweg nehmen, aber mal eben alle grossen Thematiken, die vorkommen, hier nochmal auflisten – damit das Ausmass des Chaos klar wird:
- künstliche Intelligenz
- Superintelligenz
- Mensch vs. Maschine
- Paralleluniversen inkl. zugehöriger „Universen-Theorie“
- Zeitreisen
- biologische Waffen
- Apokalypse/Postapokalyptik
- virtuelle Realitäten
- einige andere mehr
man könnte fast meinen, dass Schätzing sich über die Wikipedialiste der Science-Fiction Themen hergemacht hat, mit dem Gedanken, alles in einem Roman zu verarbeiten. Er nimmt dabei gefühlt Anleihen von verschiedensten anderen Autoren (mir fallen Eschbach, Olsberg, Crouch direkt ein) und verarbeitet diese dann in seine eigenen Geschichte. Und das führt zu einem kompletten Chaos. Ab dem letzten Drittel war mein Hauptgedanke nur noch: wie will er das denn nun bitte auflösen. Oder auch: was ist das denn für eine hanebüchene Wendung… Das ergibt doch gar keinen Sinn.
Und das ist meiner Meinung nach auch das Hauptproblem in dem Buch: Schätzung versucht derart viele Themen in einen umfangreichen Roman zu packen, dass es quasi per se misslingen muss. Es ist einfach too much. Was am Anfang noch wie ein interessanter und gut recherchierter Krimi aussieht, mutiert zu einem Kuriosum an Theorien und Schätzing erschafft dabei Welten, die leider vor Plotholes nur so strotzen. Die Hauptcharaktere (vor allem Luther und Ruth) werden zwar schön aufgebaut, ausformuliert und erläutert. Und doch verhalten sich die Charaktere auf einmal unpassend. So, wie man es eigentlich nicht vermutet. Gerade im letzten Drittel werden zudem weitere Protagonisten eingeführt, die es nur sehr bedingt braucht und die genau so behandelt werden: als Beigemüse. Und zu guter Letzt werden 2 Charaktere zum Schluss einfach vernachlässigt. Es wird eine grundsätzlich interessanter Spannungsbogen aufgebaut, der auf einmal verschwindet. Denn: was aus den beiden Personen wird, wird nie erzählt. Okay, wenn man es genau nimmt, dann geht es mit allen anderen Personen genauso… Denn, das Ende lässt – wie ich vermutet habe – sehr zu wünschen übrig. Es ist nicht nur offen, es ist einfach nur unvollständig. Das letzte Kapitel hilft darüber nicht hinweg. Lieber Herr Schätzing, da sind die Enden von Andreas Eschbachs Bücher einfach besser – obwohl auch diese oft sehr offen sind.
Fazit
Ein Fazit für dieses Buch ist wirklich schwierig. Die Grundidee und die Story haben mich relativ bald in ihren Bann gezogen. Der typische Schätzing-Stil kommt klar durch und gefällt mir gut. Was andere zu langatmig finden, finde ich eher interessant und hilft, sich in Figuren und Themen einzufinden. Aber als dann diese „Achterbahnfahrt“ losgeht, da musste ich immer und immer wieder den Kopf schütteln. Ich erinnerte mich dabei an den Schwarm zurück, der gegen Schluss auch etwas ausartete. Aber beim Schwarm hielt sich das noch in Grenzen. Beim Schmetterling ist es leider uferlos.
Unterm Strich habe ich das Buch zu Ende gehört und fand die Story durchaus bis zum Ende spannend und wollte wissen wie es weiter und zu Ende geht. Aber ernst nehmen kann man dieses Buch leider nicht. Dafür ist alles zu abstrus, zu abgedreht, zu hanebüchen und zu pseudowissenschaftlich. Ich werde mich deshalb demnächst wohl eher an ältere Schätzings wagen, die noch offen sind. Mal sehen.

Chris ist 34, arbeitet in der IT und liest gerne spannende Thriller oder Science-(Fiction) Literatur. Zudem liebt er das Tolkien-Universum.