Es war eine ganze Weile ruhig bei uns im Blog. Wenn ich so schaue, waren es fast 4 Monate… huch. Ja, wir leben noch – und ja, wir lesen auch noch 🙂
In den letzten paar Monaten hat sich einiges getan: neben einem Urlaub gab es bei mir auch noch einen Jobwechsel. Meine Zeit ist also im Moment von anderen Dingen etwas mehr beansprucht.
Nichtsdestotrotz möchte ich an dieser Stelle ein Buch rezensieren, welches mir Klett-Cotta freundlicherweise zur Rezension zur Verfügung gestellt hat: „Das flüssige Land“ von Raphaela Edelbauer.
Das Buch hatte ich erstmal nicht auf dem Schirm – nur durch Zufall bin ich darauf gestossen. Erst später habe ich bemerkt, dass dieser Roman auf der Shortlist für den deutschen Buchpreis 2019 steht (leider hat das Buch nicht gewonnen).
Manch einer mag sich jetzt fragen, was mich dazu gebracht hat, gerade dieses Buch zu lesen. Klassische „Romane“ sind ja nicht so unser Ding, sondern eher Thriller, Fantasy und ähnliches. Ganz einfach: der Klappentext hat mich neugierig gemacht und den möchte ich euch natürlich nicht vorenthalten:
Ein Ort, der nicht gefunden werden will. Eine österreichische Gräfin, die über die Erinnerungen einer ganzen Gemeinde regiert. Ein Loch im Erdreich, das die Bewohner in die Tiefe zu reißen droht. In ihrem schwindelerregenden Debütroman geht Raphaela Edelbauer der verdrängten Geschichte auf den Grund.
Kurz und bündig und dennoch genug um mich neugierig zu machen und mit dem Buch die Reise von Ruth zu begleiten.
Ruth ist nämlich die Protagonistin in dem Roman. Die Eltern sind gerade bei einem Unfall ums Leben gekommen und möchten in Gross-Einland begraben werden. Doch Gross-Einland ist auf keiner Karte, in keinem Register geführt – quasi nicht existent, oder? So geht es los, die Suche nach dem Ort.
Ruth findet Gross-Einland und stellt fest, dass hier alles etwas anders ist: der Ort wird von einer Gräfin regiert, unter dem Ort befindet sich ein grosser Hohlraum der das Leben der Bewohner bestimmt und zu guter Letzt läuft in Gross-Einland das Leben einfach etwas anders ab.
Eigentlich wollte Ruth ja nur kurz dort bleiben, um alles vorzubereiten für das Begräbnis der Eltern – aber dann entwickelt sich das ganz anders und Ruth lernt immer mehr über den Ort und deren Bewohner. Und dabei entdeckt sie, dass hier einiges nicht ganz stimmig ist. Sie beginnt nachzuforschen.
ich muss zugeben, ich habe für das Buch sehr lange gebraucht. Ich bin mir nicht sicher, woran es liegt. Ein Punkt ist sicherlich, dass Raphaela Edelbauers Stil nicht nur sehr eloquent ist (das sehe ich äusserst positiv), sondern manchmal auch etwas kompliziert. Die Wortwahl, Satzstrukturen und Satzlängen führen immer mal wieder dazu, dass ich einige Abschnitte zweimal lesen musste. Manchmal, wenn ich mich gerade nicht so gut konzentrieren konnte, fiel mir das auf. Man sollte „Das flüssige Land“ also im Optimalfall in Ruhe und ungestört lesen. Vielleicht sogar in einem Stück? Denn dann baut sich das Gefüge in seiner vollen Grösse auf. Und dann ist es überwältigend. Denn hinter der Geschichte selbst versteckt sich so viel anderes: den Roman als kafkaesk zu bezeichnen ist sicherlich nicht ganz unkorrekt an dieser Stelle. Die ganze Zeit hat man die Metaebene im Hinterkopf. Und man fragt sich sehr oft: war diese Aussage jetzt nur eine, die sich auf die gerade stattfindende Realität bezieht? Oder war das ein Hint an die Metaebene?
Gerade das allgegenwärtige „Loch“ steht in „Das flüssige Land“ für viel mehr als nur einem tatsächlichen Hohlraum unter dem Ort. Es steht für Verdrängen und vergessen wollen. Für Lügen und Versteckspiel. Und das zieht sich vom Anfang bis ganz zum Ende durch. Ja wirklich – bis ganz zum Ende. Vom Verdrängen des plötzlichen Todes der Eltern, bis zum Verdrängen, was… okay, das schreib ich mal nicht. Auf jeden Fall ist das Ende durchaus überraschend. Gerade ab der zweiten Buchhälfte baut sich eine innere Spannung auf, die sich gegen Schluss zu entladen droht.
Im Nachgang fällt es mir unglaublich schwer, dieses Buch einzuordnen. Es war nicht ganz das, was ich erwartet hatte. Aber was hatte ich erwartet? In erster Linie ein ungewöhnliches Buch. Und das ist es definitiv. Es ist aber auch ein Buch, auf das man sich einlassen muss. Ein Buch, welches vielleicht auch etwas länger braucht, um gelesen zu werden (war bei mir so) und ein Buch, dass nach dem Lesen erst seine ganze Kraft entfaltet. Nämlich dann, wenn man anfängt, die Geschichte und die Aussage dahinter zu reflektieren. Ich habe am Ende das Buch zugeklappt und gedacht: mh’kay… und jetzt? Bin ich zufrieden? Erste Antwort: Nein. Je länger ich aber darüber nachdenke, desto zufriedener werde ich. Denn ich denke darüber nach und komme langsam aber sicher im Grunde auf eine Aussage die das Buch bei mir hinterlassen hat. Bei euch vielleicht auch?
Unterm Strich ist „Das flüssige Land“ ein interessanter, komplexer und ungewöhnlicher Roman, dessen Stärke und gleichzeitig auch Schwäche auf der sprachlichen und metaphysischen Ebene beruht. Fans von Kafka werden begeistert sein. Das einfachste ist es, das Buch unvoreingenommen anzugehen, es durchaus fertig zu lesen und sich danach Gedanken dazu zu machen 🙂


Chris ist 34, arbeitet in der IT und liest gerne spannende Thriller oder Science-(Fiction) Literatur. Zudem liebt er das Tolkien-Universum.