Die grössten Filme aller Zeiten gepaart mit Karten. Das klingt erstmal nach einer seltsamen Kombi, die der Atlas „Cinemaps“ von Andrew DeGraff und A.D. Jameson in Angriff nimmt. Wer mich kennt weiss aber, dass ich Filme liebe – und dass ich auch Karten toll finde (am allerliebsten Karten aus Mittelerde – man beachte deshalb auch die Rezension zum historischen Atlas von Mittelerde). Also war klar, dass ich mir „Cinemaps“ genauer anschauen möchte. Dankenswerterweise hat mir Heyne Encore ein Exemplar zur Verfügung gestellt.
Was erwartet dich in „Cinemaps“. Einerseits hochwertige und richtig schön geschriebene Texte. Andererseits Karten dieser Filme. Man muss sich das so vorstellen, dass die Karten versuchen, die Abläufe des Film – in erster Linie die Geh/Fahr/Flugrouten der wichtigsten Charakter – darzustellen. Das klingt nicht einfach – ist es auch nicht. Trotzdem hat Andrew DeGraff seine Idee, Filme mit Landkarten zu verbinden (seine beiden grossen Kindheitsinteressen) schön verwirklicht. Dass das nicht immer einfach ist und die Karten nicht immer sofort für den Leser nachvollziehbar sind, erklärt sich quasi von selbst. Wo es Filme gibt, die gut nachvollziehbar sind (z.B. Indiana Jones und der Tempel des Todes), gibt es auch Filme, die echt schwer zu „lesen“ sind. Zwei Beispiele:
- Herr der Ringe (Trilogie)
Hier liegt das Problem einerseits in der schieren Grösse der Welt von Mittelerde. Die doppelseitige Karte ist damit eigentlich immer noch viel zu klein, auch wenn auf 2 weiteren Seite einzelne Kartenteile vergrössert (und damit besser lesbar) dargestellt sind. Hier hätte ich gerne Karten in der Originalgrösse. Andererseits haben wir eine Vielzahl von Personen, die vorkommen. Die Linien sind in diesem Fall sehr schlecht lesbar, da teilweise sehr ähnliche Farben (verschiedene Blaus und Grüns) vorkommen. Gepaart mit der Karte wir der Weg der Figuren also quasi unlesbar, selbst wenn man den Film sehr sehr gut kennt (was ich von mir behaupten würde). - Breakfast Club
Hier liegt das Problem nicht in der Grösse der Filmwelt – diese beschränkt sich ja auf die Schule, wo die Teenager nachsitzen müssen – sondern in den vielen Bewegungen auf der kleinen Filmfläche. Die Karte ist also voller Linien und Pfeile und das kann doch sehr verwirren – da vor allem einige der Darsteller viele verschnörkelte Wege zurücklegen
Trotz der teilweise schwer lesbaren Karten, sind diese etwas Einzigartiges und Fantastisches. Wenn man die Filme kennt, macht es unglaublich viel Spass, die Wege anhand der Linien nachzuvollziehen. Schön geht das zum Beispiel bei „Back to the Future“ (gute Umsetzung der beiden Zeitebenen), bei den 3 Indiana Jones Titeln oder auch bei „Der unsichtbare Dritte“. Gerade letzterer Film ist in der Karte schön umgesetzt – sehr viele Locations, aber doch sehr übersichtlich gehalten, da die Anzahl der Personen beschränkt ist.
Zu den tollen Karten gesellen sich fantastisch geschrieben Texte von A.D. Jameson. Man könnte in einen solchen Atlas ein paar nette Beschreibungen des Films einbringen sowie ein paar Gründe, warum genau diese Filme die 35 grossartigsten sein sollen und gut ist. Aber nein – A.D. Jameson schreibt zu jedem Film ein Essay, welches es in sich hat. Schöne Vergleiche mit anderen Filmen oder Situationen, Seitenhiebe auf Kultur und Politik und natürlich eine schöne Prise Humor. Das Ganze setzt er über den Erzählstrang des Films ein. Dabei geht er nicht auf den ganzen Film ein, sondern pickt sich wichtige Szenen und Abläufe heraus. Das führt einerseits dazu, dass diese Essays eben so grossartig sind – andererseits kann jemand, der einen der Filme gesehen hat, nicht immer etwas damit anfangen. Die Essays bauen nämlich meistens darauf, dass man den entsprechenden Film gesehen hat. Beispielsweise ist bei „Shining“ von Grady und später von den „Grady-Mädchen“ die Rede. Es wird aber nicht klar erkennbar, dass es sich bei Grady um den Hausmeister handelt und die Grady-Mädchen seine beiden toten Töchter sind (dass sie tot sind ist indes von grosser Wichtigkeit). Aber selbst wenn man den Film nicht gesehen hat, kann man den „Spirit“ des Films gut erfassen und hat vermutlich dennoch viel Spass an den Texten.
Fazit
„Cinemaps“ ist etwas Besonderes – es ist nicht einfach Karten von Filmen zu erstellen. Das hat Andrew DeGraff in fantastischer Weise geschafft, wenn auch die Lesbarkeit der Karten in dem Format nicht immer einfach ist (ich wünschte mir hier z.B. die Möglichkeit, Kopien der Karten in Originalgrösse kaufen zu können. Zum Beispiel in einem schönen Schuber? Wäre doch was oder @Heyne Encore? :)) aber trotzdem sehr viel Spass macht. Dazu kommen die wirklich guten Texte von A.D. Jameson, die alles Andere als langweilig sind und man gerne mehr als nur einmal liest.
Trotz kleinerer Kritikpunkte gefällt mir dieser schöne und spezielle Atlas also sehr gut – und ich kann jedem Film- und/oder Kartenfan nur empfehlen, dieses Buch zu kaufen (30 Euro – ein definitiv sehr guter Preis).
Wer das tun möchte oder einmal reinschnuppern möchte, kann das beim Verlag tun: zur Produktseite von Cinemaps
Euer,
Chris

Chris ist 34, arbeitet in der IT und liest gerne spannende Thriller oder Science-(Fiction) Literatur. Zudem liebt er das Tolkien-Universum.